Basierend auf den Recherchen und Texten der „Lehrlingsarbeit“ eines Ehrenmeisters der Loge
Die Femegerichte (auch Freistuhlgerichte) waren eine mittelalterliche Institution. Die Gerichtsbarkeit über Leben und Tod (Blutbann) war Privileg des Königs. Als Blutbannleihe konnte dieses Privileg an Femgerichte bzw. deren Vorsitzenden, den Freigrafen, übertragen werden. Urteilsfinder waren die Freischöffen, die Gerichtsstätte wurde Freistuhl genannt. Bei Femegerichtsverhandlungen gab es üblicherweise nur den Spruch „schuldig“ oder „unschuldig“. Bei einem Schuldspruch wurde der Angeklagte „verfemt“, d.h. in Unfrieden gesetzt. Von da an war der Verurteilte rechtlos, Hab und Gut wurden ihm entzogen und man durfte ihn sogar ungestraft töten. Eine Verurteilung war nicht zwingend bei allen Delikten mit dem Tod des Verurteilten verbunden, die Femeschuld konnte auch finanziell abgegolten werden. Der zum Tode Verurteilte wurde sofort nach dem Urteil gehängt.
Femegerichte tagten tagsüber, meist unter dem alten Gerichtsbaum aus germanischer Zeit, der Linde.
Zur Geschichte des Freistuhls
Nach dem Bericht des Chronisten Dietrich Westhoff wurde der Freistuhl als Gerichtsplatz bereits einmal im Jahr 1545 von seinem früheren Standort näher zur Burgpforte gerückt. Die damalige Verlegung wurde offensichtlich erforderlich, weil der zwischen Westenpforte und dem Freistuhl befindliche Außenwall niedergelegt worden war.
Der Chronist berichtete nichts über das damalige Aussehen dieses Gerichtsplatzes. Nachrichten und Berichte darüber fehlen auch aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Selbst verschiedene Dortmunder Stadtansichten aus den Anfängen des 17. Jahrhunderts geben keinen Hinweis.
Die älteste Ansicht des Freistuhls stammt erst aus dem 18. Jahrhundert, als Johann Christoph Beurhaus einen Text mit dem Titel „Kurze historische Nachricht von der wahren Beschaffenheit der ehedem in Teutschland so bekannten Fehm- und Freygerichte“ verfasste.
Nach Beurhaus’ Schilderung von 1742 fand das Freistuhlgericht unter freiem Himmel an einem etwas erhabenen Orte vor dem Burgtor im „Königshofe“ unter zwei Linden an einem steinernen Tische statt. An diesem Tisch saßen der Freistuhlrichter, auch Freigraf genannt, sowie weitere Personen.
Auf der dazu gehörenden Federzeichnung war der Freistuhltisch, welcher einen Adler als Wappen der Stadt trug, auf der Süd- und Westseite von zwei zusammenhängenden Sitzen umgeben. Auf Grund der Gleichmäßigkeit wird angenommen, dass sich auch auf der Ostseite ehemals eine Steinbank befand. Die Zeichnung zeigt zwei durchaus schon stattliche Lindenbäume.


Umsetzen der Linde(n)
Eine weitere Zeichnung datiert aus dem Jahr 1830, also ca. 90 Jahre später. Deutlich erkennbar ist, dass diese beiden Linden starke altersbedingte Schäden zeigen – bei einem Alter von zumindest 350 Jahren nicht verwunderlich.
Auch der Stahlstich von Carl Schlickum von 1841 zeigt diese starken Schäden am westlichen der beiden Bäume; hier ist lediglich noch der Stamm im Hintergrund erkennbar. Weiter wird auf dem Bild deutlich, dass zu diesem Zeitpunkt die Strecke der Bergisch-Märkischen Eisenbahn noch nicht vorhanden war.
Sieben Jahre später, 1848, nach Fertigstellung von Bahnstrecke und Bahnhof, befand sich der historische Freistuhl mit der jetzt noch verbliebenen Linde, der östlichen des ursprünglichen Baumpaares, auf einer ummauerten Anhöhe zwischen den Gleisanlagen.
Im Zuge des Bahnhofs- und Streckenbaus findet sich auch zum ersten Male die Bezeichnung „Femlinde“ in einem amtlichen Schreiben der Königlichen Regierung in Arnsberg an den Magistrat zu Dortmund, worin letzterer aufgefordert wird, den in das Territorium des Bahnhofes der Bergisch-Märkischen Eisenbahn fallenden Platz des Gerichtssitzes mit der dem historischen Interesse gebührenden Schonung zu behandeln und der Stadt das Eigentum an dieser Linde und dem sie unmittelbar umgebenden Terrain, wenn auch als Enklave innerhalb des Bahnhofs, vorzubehalten.
Der Name Femlinde
Ob die allgemeine Bekanntmachung der Bezeichnung „Femlinde“ auf Bernhard Thiersch, den Dichter des Preußenliedes und Direktor des Dortmunder Gymnasiums zurückzuführen ist, muss dahinstehen. Auf jeden Fall hat er 1849 durch die Veröffentlichung der Abhandlung „Die Vemlinde bei Dortmund“ diese Bezeichnung in weitere Kreise getragen und dadurch ins öffentliche Bewusstsein gehoben.

Übergang vom Femegericht zum Freistuhlgericht
Ein Femegericht in der ursprünglichen Form erlebte Dortmund letztmalig in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Willkür und arge Auswüchse hatten 1527 zu Verbot und Abschaffung geführt. Bis dahin hatte ein „Freigraf“ als Vertreter des Dortmunder Grafen schwere Kriminaldelikte der Bewohner der Grafschaft verhandelt, Ihm saßen mehrere Beisitzer zur Seite, Stadtbürger waren von dieser Gerichtsbarkeit ausgenommen, sie hatten sich ihre eigene errungen.
Bis zu diesem Zeitpunkt befand sich der Gerichtsplatz des Freistuhl am Westentor noch außerhalb der Stadtmauern, wurde dann aber – und zwar 1545 – ostwärts in das Stadtinnere verlegt. Die Wahl des neuen Ortes ergab sich wohl daraus, dass sich hier bereits zwei Linden befanden, die den Freistuhl ausreichend beschatten konnten. Bis 1803 übte man dann unter diesen Linden gelegentlich geringfügiger Delikte die Freistuhl-Gerichtsbarkeit aus; ihre Termine waren wie folgt festgelegt:
– Dienstag nach dem 7. Januar (Reinoldustag)
– Dienstag nach Quasimodogeniti (Sonntag nach Ostern)
– Montag nach Mittsommer (Johannistag am 24. Juni)
– Dienstag nach dem Lambertitag. (17. September).
Das letzte Freistuhlgericht auf dem Königshofe zu Dortmund hielt der Dortmunder Freigraf Zacharias Löbbecke am 11. Januar 1803 ab. Er starb 1826 im Alter von 98 Jahren.
Da erst nach dem Verbot der Femegerichte 1527 der Gerichtsplatz des nachmaligen Freistuhls im Jahr 1545 von seinem alten Standort nach Westen unter die beiden dort stehenden großen Linden verlegt worden war, hat unter diesen Bäumen nie ein Femegericht in der ursprünglichen Form getagt. Trotzdem hat sich, dem ursprünglichen Brauch folgend, der Name „Femlinde“ als Name für die Bäume, die einst das Femegericht beschatteten, bis heute erhalten.
Verlegung des Freistuhls
Als der Neubau des Hauptbahnhof im Jahr 1910 mit erheblichen Vergrößerungen anstand, war der Freistuhl, der sich dreieinhalb Jahrhunderte an dieser Stelle befand, im Wege.
Er wurde 40 Meter nach Süden verlegt. Leider ist bei dieser Verlegung die altbekannte Femlinde zusammengebrochen.
Man nahm von nah und fern mit großen Interesse an dieser Freistuhlverlegung teil. Das ging so weit, dass sich Orte wie Witten, Barmen und Bremen Sprösslinge der alten Femlinde aus Dortmund erbaten, um diese dann bei sich zu setzen. Auch eine Reihe auswärtiger Freimaurerlogen waren in den Besitz von Sprösslingen der alten Femlinde gelangt, so die „Rose am Teutoburgerwald“ in Detmold sowie „Balduin zur Linde“ in Leipzig, ja sogar im fernen Amerika hatte der „Alte Orden der Freischmiede von Nordamerika“ – in New York beheimatet – bereits im Jahr 1904 einen der Dortmunder Sprösslinge gesetzt.

Ableger und Sprösslinge
Die Loge Zur alten Linde pflanzte im Jahre 1866, elf Jahre nach der Lichteinbringung, drei Ableger in ihren Logengarten an der Viktoriastraße, wovon zwei zu großen Bäumen heranwuchsen. Einer davon gedieh – im Jahre 1929 von der Straße aus sichtbar – und auch sicherlich bis in die Kriegszeiten „standhaft“ am Seiteneingang des Logenhauses. Der andere kam 1905 in den „Kaiser-Wilhelm-Hain“, im Volksmund vereinfachend auch „Kaiserhain“ genannt, also in den heute nördlichen Geländeteil des Westfalenparks. Dort soll er – Quellen von 1925 zur Folge – die dort aufgestellte Nachbindung des Freistuhls beschattet haben.
Was aus den „auswärtigen“ Lindensprösslingen geworden ist, ist nicht überliefert; ob die im Kaiserhain gepflanzten Linden oder gar deren Abkömmlinge – im heutigen Westfalenpark – überlebt haben, war Anfang des 21. Jahrhunderts nicht mehr zu klären. Die Loge wollte ursprünglich vor ihrem neuen Haus in der Landgrafenstraße 170 einen der Sprösslinge setzen, anstelle der dort stehenden Platane. Dafür lag die schriftliche Genehmigung des damaligen Oberbürgermeisters vor. So wurde es dann eine andere Linde.
Die beiden am neuen Freistuhl in Dortmund gepflanzten Linden jedenfalls fielen einem Luftangriff im Jahr 1944 zum Opfer.
1953 und 1979 erfolgte dann nochmals eine Verlegung des Freistuhls nach Süden. Seitdem befindet sich der Freistuhl an der jetzigen Stelle gegenüber dem Gebäude des Dortmunder Hauptbahnhofs, und zwar westlich der gleichnamigen, also „Freistuhl“ bezeichneten Straße. Die Bilder zeigen hier auch wieder traditionsgemäß zwei Lindenbäume – einen davon westlich und einen östlich des heute symbolisch angedeuteten Freistuhltisches.
Der Name der Loge
Warum die Gründungsmitglieder unserer guten Bauhütte den Namen Zur alten Linde und nicht „Zur Femlinde“ gewählt haben, hat ihr erster Meister vom Stuhl Heinrich Köppen 1855 anlässlich der Lichteinbringung wie folgt dokumentiert:
„Wir haben unsere Loge im historischen Rückblick „zur alten Linde“ genannt. Noch steht auf dem Weichbilde unserer Stadt die alte Fehmlinde, welche Jahrhunderte den Stürmen der Zeit Trotz geboten hat und in ihrem Bestehen das Andenken an jene Zeit bewahrt, wo die rohe Gewalt nur durch gleiche Mittel bekämpft wurde, ja Weidenschlinge und Dolch das Schreckbild des Bösen waren. Sie steht da als ein Wahrzeichen des Fortschritts der Menschheit, auf der Bahn der Aufklärung, der Bildung und Humanität; das auch uns mahnt, fortwährend rüstig zu arbeiten an dem hehren Bau zur Beförderung sittlicher und geistiger Wandlung des Menschengeschlechts. Und wenn der Zahn der Zeit jede morschen Überreste eines rohen Zeitalters vielleicht bald zerstört, dann möge die Loge „zur alten Linde“ als Wahrzeichen unseres edlen Strebens noch bis in die fernsten Zeiten in blühender Kraft fortbestehen.“