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Axel Pohlmann, Alt-Großmeister der Großloge A.F.u.A.M.v.D. und Alt-Stuhlmeister der Loge Zur alten Linde
In Dortmund bestanden – und bestehen noch heute – die Loge Zur alten Linde Nr. 368, gegründet 1855 als Tochterloge der Großen National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln, geschlossen im Juli 1935, wieder konstituiert 1947 als Loge der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, und die Loge Reinoldus zur Pflichttreue Nr. 598, 1908 gegründet, 1910 installiert mit einem Patent der Großen Landesloge von Deutschland – Freimaurerorden -, im Juli 1935 geschlossen, wieder konstituiert 1947 unter derselben Großloge1. Die „alte Linde“, die in der Viktoriastr. 9 im eigenen Logenhaus arbeitete, hatte zum Ende der 1920er Jahre über 430 Mitglieder, „Reinoldus“ arbeitete mit 165 Brüdern ebenfalls im eigenen Haus Poststr. 20.2
Am 31. Juli 1921 fand im „Logenheim, Hamburgerstr. 32“ die Lichteinbringung der „Loge zum Freistuhl“ statt.3 Das war eine Gründung des Freimaurerbundes zur aufgehenden Sonne (FzaS), eines 1907 auf der Grundlage des „Monismus“ entstandenen, von den übrigen deutschen Großlogen nicht anerkannten Bundes, dem später v. Ossietzky und Tucholsky angehörten, auf die wir uns so gern als Freimaurer berufen.4 Die Gründer waren Dortmunder, die in einer Loge des FzaS in Gelsenkirchen („Glückauf zur Tat“) aufgenommen worden waren und ca. 1914 ein freimaurerisches „Kränzchen“ in Dortmund bildeten. Nach der Erinnerung eines Mitgründers wurde die Loge schon 1919 gegründet.5 Das Zeichen der Loge war die alte Dortmunder Linde mit dem von der Seite gesehenen Freistuhl (Bastion mit Tisch und Bank), in einem von einer Kette umgebenen Kreis angeordnet mit einem sechseckigen Stern, Winkelmaß und Zirkel, Rose, Kelle, Hammer und zwei verschränkten Rechtecken.6 Die Loge bestand nach dem Dortmunder Einwohnerverzeichnis noch 1929 und tagte im Logenhaus der Loge „Rote Erde“, Rosental 9, einer 1904 gegründeten Loge des Druidenordens7, zusammen mit einer Loge „Westfalentreue“, über die ich bisher nichts ermitteln konnte.8
Offenbar wurde die „Loge zum Freistuhl“ ca. 1929 wieder zu einem „Kränzchen“ heruntergestuft, denn in Dalen’s Kalender wird sie mit 8 Brüdern als solches geführt, gegründet 17.5.1928 (!), „unter der Aufsicht der Johannisloge Friede und Fortschritt in Elberfeld“, einer 1924 gegründeten Loge, die zur „Großloge zur Sonne“ gehörte – die Loge hatte sich also „regularisiert“9, indem sie einer von den anderen anerkannten, aber doch liberal verfassten Großloge beitrat, die bis 1929 ein „weißes Buch“ statt der Bibel auflegte.10
Schon 1922 schieden 13 Dortmunder Brüder („11 christliche und 2 jüdische“) aus der Loge zum Freistuhl aus, weil sie sich an dem „zum Dogma erhobenen Monismus“ stießen. Sie ließen sich in der Frankfurter Loge Zur Einigkeit aufnehmen. Dabei wurden sie „regularisiert“, d.h. ihre Aufnahme, Beförderung und Erhebung wurden wiederholt, wenn auch innerhalb nur zweier Tage, am 23. und 24. Juni 1923.11 Diese Brüder gründeten am 22. Januar 1923 die „Johannis-Loge Einigkeit am Hellweg“, mit dem Logenheim 1927 im Eintrachthaus an der Predigerstraße12, 1928/1930 im Hause Schwanenwall 8/10, Eingang Gänsemarkt 3, mit „ca. 30“ Mitgliedern.13 Das Bijou der Loge bestand aus einem Dreieck mit einbeschriebenem Namen und Ort, einem darin stehenden neunzackigen Stern, darin drei ineinander verschlungene Hände und eine umlaufende Kette.14 Die Loge gehörte von ihrer Gründung bis zu ihrer Auflösung der „Großen Mutterloge des Eklektischen Freimaurerbundes“ in Frankfurt/Main an.
Am 13.3.1924 bildete die Loge einen Verein, der am 10.4.1924 im Vereinsregister des Amtsgerichts Dortmund eingetragen wurde.15 1927 hatte die Loge 25 Mitglieder16, 1928/29 hatte sie 27 Mitglieder, einen ständig besuchenden Bruder und drei Ehrenmitglieder17, 1930 „ca. 30 Brüder“.18 Es ist anzunehmen, dass die Mitgliederzahl sich in den Jahren 1931 bis 1933 stark verminderte, wie bei den großen Logen auch. Bereits am 28.3.1933 beschloss die Mitgliederversammlung der Loge die Auflösung des Vereins19, nachdem die Großloge des Eklektischen Bundes ihre Auflösung am 20.3.1933 beschlossen hatte.20
Quellen:
- Jahresangaben u.a. nach Karl-Heinz Francke, Ernst-Günther Geppert, Die Freimaurer-Logen Deutschlands und deren Grosslogen 1737-1985. Bayreuth 1988. S. 94. Dort fehlen allerdings alle FzaS-Logen, soweit sie nicht später in reguläre Logen umgewandelt wurden. ↩︎
- Vgl. C. van Dalen’s Kalender für Freimaurer, 77. Jg. Leipzig 1926. S. 141. ↩︎
- Kopie der Einladung zur Lichteinbringung, durch Br. U. Flechtner, Paderborn. An Namen aus dieser Loge sind derzeit nur bekannt: Bei der Lichteinbringung 1921 ein Br. Dr. Lambeck, vermutlich = Dr. Otto Lambeck, Syndikus, 1929 Kronprinzenstr. 157, und 1930 Herrmann Bondy, Photograph, Schliepstr. 6, sowie 12 der 13 später ausgeschiedenen Brüder (s.u.). – Allerdings wird eine Dortmunder „Loge Zum Freistuhl“ am 19.10.1907 in der „Dortmunder Zeitung“ erwähnt anlässlich der Stiftung von 50 M zum Kinderhilfstag; es ist möglich, dass es sich um eine Deputationsloge oder ein „Kränzchen“ handelte. ↩︎
- Vgl. Johannes Drechsler, Die Brüder vom FZAS. Hamburg 1971; Hans-Detlef Mebes, Zur Gründung und ersten Entwicklungsgeschichte eines „Allgemeinen Freimaurer-Bundes auf monistischer Weltanschauung“, des nachmaligen (Reform-) „Freimaurerbundes Zur Aufgehenden Sonne“, in: Paul Ziche (Hrsg): Monismus um 1900. Berlin 2000, S. 129-154 (Kopie vom Verfasser). ↩︎
- Handschreiben des Br. Gerhard Willersen (1886-1966) anlässlich seiner Annahme in der Loge zur alten Linde an den Sekretär Br. Walter am 29.5.1949, im Logenarchiv (Personalakte Willersen). ↩︎
- Beschrieben nach der Kopie der Einladung, sh. Fußn. 3. ↩︎
- Adressbuch des V.A.O.D. in Deutschland, hrsg. von der Reichs-Grossloge 1912, S. 285, und Adressbuch des Deutschen Druidenordens (V.A.O.D.) in Deutschland, 1927, S. VII/3. (Kopien aus dem Freimaurermuseum Bayreuth.) 1927 hatte die Loge 76 Mitglieder! ↩︎
- Dortmunder Einwohnerbuch 1929. Bei Friedr. Hasselbacher, Entlarvte Freimaurerei, Bd. 1: Das enhüllte Geheimnis der Freimaurerei in Deutschland, Berlin 1934, S. 98, werden für Dortmund als FzaS-Loge eine Loge „Glückauf zur Brudertreue“ aufgeführt und die Logen „Rote Erde“, „Westfalentreue“ und „Zum Freistuhl“ dem Druidenorden zugerechnet (was nur für die erste stimmt). – In Dortmund bestand außerdem eine Loge des Odd-Fellow-Ordens, nämlich „Arminius-Loge Nr. 2 von Westfalen“, die 1932/33 mit 73 großenteils jüdischen Mitgliedern im Haus Rathenau-Allee 54 (heute Hainallee) arbeitete, lt. „Odd Fellow-Adreßbuch für das Jahr 1932/33“, 46. Jg., S. 534 (Kopie aus dem Freimaurermuseum) und sich im April 1933 auflöste (Veröffentlichung des Registergerichts in der Zeitung „Tremonia“ 25.4.1933). ↩︎
- C. van Dalen’s Kalender für Freimaurer, Statistisches Jahrbuch für 1930, bearb. Hugo Schmidt, 69. Jg., Leipzig 1930, S. 153. Zur Wuppertaler Loge: Francke/Geppert, wie Fußn. 1, S. 233. ↩︎
- Hinweis Br. Hans-Detlef Mebes 17.7.2002. ↩︎
- Brief des Br. Willersen, wie vor. – Nach dem Mitgliederverzeichnis 1928/29 – vgl. Fußn. 13 und neuerdings die „Matrikel“, Stand 2024 – sind 12 am 23./24.6.1923 aufgenommene Mitglieder zu identifizieren: Jakob Brand, Kaufmann, * 1875; Bernhard Faddegon, Dentist, * 1888; Richard Fenske, Juwelier, * 1886; Hermann Frank, Kaufmann, * 1874; Peter Gohr, Amtsanwalt in Iserlohn, * 1870; Gerhard Hendricks, Handelsvertreter, * 1882; Heinrich Honermeier, Lehrer (später Rektor), 1884-1967; Heinrich Riemann, Kaufmann, * 1888; Dr. Hugo Rühlmann, Privatlehrer, * 1867; Max Schön, Generalagent, * 1876; Dr. jur. Lothar Engelbert Schücking, Rechtsanwalt und Notar, 30.4.1873-2.2.1943; Gerhard Willersen, Steiger, 1886-1966. Das bekannteste Mitglied war sicher Lothar Schücking, ein Enkel des Droste-Hülshoff-Freundes Levin Schücking; er war zunächst Bürgermeister in Husum; aus dem Amt schied er 1909 als Folge einer Schrift „Die Reaktion in der inneren Verwaltung Preußens“ aus, mit großem Eklat. 1919 (bis?) für die SPD Stadtverordneter, Anfang der 1930er Jahre den Kommunisten nahestand und zu den Gründern des Immermann-Bundes zählte; 1833.1943 lebte er in Sassenberg bei Münster; sein Bruder war Dr. phil. Levin Ludwig Schücking, * 29.5.1878, 1925-1944 Professor der engl. Sprache u. Literatur an der Univ. Leipzig, dann Erlangen (Levin Ludwig Schücking: Plaudereien mit Lothar Engelbert, Bamberg 1948; Alois Klotzbücher, Literarisches Leben in Dortmund, Dortmund 1984, S. 144f; vgl. auch Wikipedia-Artikel Lothar Engelbert Schücking, von mir 2011 eingesehen, und – sehr ausführlich – Reinhold Lütgemeier-Davin „Demokrat, Pazifist, Jurist, Verwaltungsreformer Lothar Schücking“, in Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark Bd. 91 -2000-, S. 87-140). Die Berufe der später eingetretenen Mitglieder waren 1928/29: Dipl.-Ing. in Moskau, 2 Vers.-Direktoren, davon einer in Berlin, 2 Lehrer (davon ein Privatlehrer), 6 Kaufleute, davon einer in Köln, Bankbeamter, Hautarzt, Telegraphen-Oberinspektor, Fabrikant von Bäckereimaschinen, Drogist, Möbelhändler, Prokurist in Berlin, Opernsänger, Caféinhaber, Generalagent. Die soziale Zusammensetzung entsprach damit in etwa derjenigen der Loge Zur alten Linde. ↩︎
- van Dalen’s Kalender 1928 a.a.O. ↩︎
- Kopie des Mitgliederverzeichnisse 1928/29 aus der Bibliothek des Deutschen Freimaurermuseums Bayreuth (einziges dort vorhandenes Verzeichnis), außerdem C. van Dalen’s Kalender für Freimaurer, Statistisches Jahrbuch für 1930, 69. Jg., bearb. von Hugo Schmidt, Leipzig 1930, S. 153. ↩︎
- abgebildet wie Fußn. 8. ↩︎
- Vereinsregister des Amtsgerichts Dortmund Nr. 265, Archiv des Amtsgerichts. ↩︎
- van Dalen’s Kalender 1928 a.a.O. ↩︎
- Lt. Mitgliederverzeichnis. ↩︎
- van Dalen’s Kalender 1930, a.a.O. ↩︎
- Lt. Vereinsregister, s.o. ↩︎
- Francke/Geppert, Die Freimaurer-Logen Deutschlands, 1988, S. 313. In dem Buch wird die Auflösung der Dortmunder Loge auch schon für den 20.3.1933 angegeben, was möglicherweise für die Auflösung als Loge, aber nicht als Verein zutrifft. ↩︎
- sh. Fußn. 5. Er wurde 1948 von der Loge angenommen. ↩︎
- 1897-1961. Vorstandsmitglied und Direktor der Eisen und Metall AG in Essen, wo er auch wohnte. ↩︎
Axel Pohlmann, Alt-Großmeister der Großloge A.F.u.A.M.v.D. und Alt-Stuhlmeister der Loge Zur alten Linde
Zusammenfassung:
Die Freimaurerei entstand 1717 in einer religiös geprägten, aber vergleichsweise offenen Gesellschaft. Die „Religion, in der alle Menschen übereinstimmen“ ist sie selbst nicht, aber sie stiftet an, danach zu suchen. Ein gewisses religiöses Gefühl braucht der Freimaurer, doch die Freimaurerei ist keine Religion und auch keine religiöse Geheimlehre. Das Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften ist von Missverständnissen über das Selbstverständnis der Freimaurerei geprägt, aber auch von manchen unbedachten Ansprüchen der Freimaurer. Besonders schwer tat sich stets die katholische Kirche; die inoffiziellen Gespräche der letzten Jahre lassen aber auf Toleranz auch aus dieser Richtung hoffen. Der „Große Baumeister“ wird vielleicht noch zum Symbol, unter dem christliche wie islamische Minderheiten und wenig gläubige Mehrheiten sich treffen können.
„Die“ Freimaurerei gibt es – leider oder Gott sei Dank – nicht.
Die Freimaurer sind lokal in Logen, national in Großlogen organisiert. Eine internationale Organisation existiert nicht.
Es gibt drei Großlogen-Familien:
- die anglo-amerikanische Freimaurerei, der die große Mehrheit der Frm. in der Welt angehört, einschließlich vier der fünf im deutschen Großlogenverband „VGLvD“ zusammengefassten Großlogen;
- die romanische Freimaurerei, beherrscht vom Grand Orient de France, mit einer wesentlich geringeren Mitgliederzahl, aber doch auch weit verbreitet, auch im heutigen Mittel- und Osteuropa, jedoch eine quantité négligeable in Deutschland;
- schließlich das schwedische oder skandinavische System, das sich selbst als christliche Freimaurerei sieht, mit einer Verbreitung nur in den skandinavischen Staaten und in Deutschland und deshalb – weltweit betrachtet – mit entsprechend geringen Mitgliederzahlen.
Die angelsächsische Mainstream-Freimaurerei soll unser Hauptthema sein. Ihr gehört auch die größte deutsche Großloge, die GL AFAMvD an, und zu dieser wiederum die Loge Zur alten Linde in Dortmund.
Diese Mainstream-Frm ist durch ein klares Gebot und ein ebenso klares Verbot gekennzeichnet:
- Das Gebot lautet: Großloge und Loge müssen von ihrem Mitglied verlangen, dass es an den Großen Baumeister aller Welten (The Grand Architect of the Universe) glaubt (must profess a belief in…).
- Das Verbot lautet: Politische und religiöse Streitfragen dürfen in der Loge nicht diskutiert werden, weil daraus, wie es die „Alten Pflichten“ formulieren, noch nie etwas Gutes entstanden ist.
Freimaurerei ist keine Religion und kein Religionsersatz. Der Meister vom Stuhl ist kein Priester, es gibt keine heiligen Bücher und keine Propheten. Wenn die Freimaurerei den Glauben an den Großen Baumeister verlangt, ist das eine recht farblose und nie genauer hinterfragte Voraussetzung; dieser Große Baumeister kann Gott sein, aber das Symbol kann bis auf ein nur „göttliches Wirken“ reduziert werden. Die Verfassung unserer Großloge sagt:
Die Freimaurer sind durch ihr gemeinsames Streben nach humanitärer Geisteshaltung miteinander verbunden; sie bilden keine Glaubensgemeinschaft.
Sie sehen im Weltenbau, in allem Lebendigen und im sittlichen Bewußtsein des Menschen ein göttliches Wirken voll Weisheit, Stärke und Schönheit. Dieses alles verehren sie unter dem Sinnbild des Großen Baumeisters aller Welten.
Die österreichische Großloge umschreibt den Großen Baumeister aller Welten als Symbol für „die schöpferische, uns Menschen unerforschliche Wesenheit“ im „Mittelpunkt des Kreislaufes“, um den sich „alles Leben bewegt“.
Dieser Kultus der Freimaurer hat viele Elemente aus der Bibel – dem Alten wie dem Neuen Testament – übernommen. Obwohl die Freimaurerei weder eine Religion ist, noch ein Religionsersatz sein will, obwohl sie es ausschließlich ihren Mitgliedern überlässt, welchen Weg zu Gott sie nehmen, obwohl die Freimaurerei sich mit dem Diesseits befasst und keine Gnadenmittel, keine Sakramente, Weihen oder Verpflichtungen hat – obwohl das alles so ist, gerät sie immer wieder in den Verdacht, eben doch eine religiöse Sekte zu sein, weil sie einen Formen- und Vokabelschatz benutzt, der manche Deckungsgleichheit mit dem der Kirchen aufweist.
So gehört z.B. die blaue Farbe zur Freimaurerei wie die rote zum Sozialismus; es liegt nahe, sie mit jüdischen Vorbildern zu identifizieren – aber die Farbe ist die des Himmels. Die Bibel liegt auf einem Altar im Tempel – drei religiös aufgeladene Begriffe. Aber die Bibel kann auch durch ein anderes „heiliges Buch“ ersetzt werden; sie erinnert den Freimaurer daran, dass er – er persönlich, subjektiv und für sich – eine geordnete Verfassung der Welt anerkennen soll (deshalb das „Buch des heiligen Gesetzes“), dass er eine – irgendeine – religiöse Einstellung haben soll.
Der Altar dient nicht der Verehrung Gottes, er sieht auch nicht etwa nachgeäffte kirchliche Rituale, sondern ist ein Tisch, auf dem die „Drei Großen Lichter“ der Freimaurerei liegen – Bibel, Winkelmaß, Zirkel – und vor dem Aufnahme, Beförderung und Erhebung in die drei Grade vollzogen werden. Dabei wird der „Große Baumeister aller Welten“ angerufen, und wer mag, kann natürlich hineinlegen, dass es sich um eine Anrufung Gottes handelt.
Foto: Juliane Herrmann
Der Begriff „Tempel“ ist wohl durch die französischen reformierten réfugiés in England in die Freimaurerei eingebracht worden; in Frankreich werden ja auch heute die protestantischen Gotteshäuser als „temple“ bezeichnet. Der Tempelraum ist aber kein geweihter Raum; er kann überall installiert werden, auch im Hinterzimmer einer Kneipe. Zum Tempel, zu einem „fanum“, einem Heiligtum im Gegensatz zum profanum, wird der Raum nur während der Zeit des Rituals und durch dieses Ritual, indem die Worte des Rituals räumliche Grenzen ziehen – denn nur ein Freimaurer darf ihn währenddessen betreten – und zeitliche Grenzen, denn das Ritual vollzieht sich in einer imaginierten Zeit, zwischen Hochmittag (high noon) und Hochmitternacht.
Wenn ich solche symbolisch aufgeladenen Begriffe aus unserem Ritual verwende, könnte das täuschen über den eigentlichen Inhalt der Freimaurerei.
Das Ziel der Maurerei ist die innere Wandlung und geistige Entfaltung des Menschen.
So sagt es der Meister vom Stuhl in unserem Ritual. Das Ritual sagt es auch noch einmal mit einem Bild: der Mensch ist der raue Stein; indem er in eine Form gebracht wird – freimaurerisch aber: sich selbst in eine Form bringt -, je nach der Form, die in ihm angelegt ist, wird er zu einem Stein im Tempelbau der Menschheit, bringt er sich ein in die Menschheit. Indem er selbst an sich arbeitet, arbeitet er zugleich für die Gemeinschaft. Die Freimaurerei ist eine Tochter der Aufklärung, ihre wesentlichen geistigen Impulse, ihr Anliegen stammen aus dieser Zeit.
Was ich gerade gesagt habe, ist wahr – aber unvollständig. Denn als die Freimaurerei die Grenzen des heutigen Großbritannien verließ, war sie zwar Herberge für Aufklärer, wurde aber zugleich auch attraktiv für Männer, die der Esoterik, dem Irrationalen, der Romantik zuneigten. Das Stichwort „Esoterik“ ist heute allenthalben zu hören, oft zusammen mit dem Stichwort „Patchwork-Religion“. Es nervt die Kirchen genauso wie uns Freimaurer, denn es wird heute zu einer ungenauen Sammelbezeichnung für New Age, weiße Hexen, Rudolf Steiners Anthroposophen, Hildegard von Bingen, Buddhismus etc. Esoterik und Patchwork antworten, schreibt ein evg. Pfarrer, auf Ermüdungserscheinungen rationaler Weltbewältigung; sie zielen auf außergewöhnliche Erfahrungen der Ergriffenheit, Kommunikation mit dem Göttlichen, Selbstfindung, Körpererfahrung, Erleuchtung.
Nun läuft die Freimaurerei durch ihre offene Symbolik und ihr Verfahren der bloßen Andeutung und Anleitung immer die Gefahr, als Geheimlehre verstanden zu werden, so als gäbe es eine über Hunderte von Generationen überlieferte Weltkunde, die über aller Wissenschaft stehe, womöglich mit dem Schlüssel zur Beherrschung von Körper, Geist und Seele.
Die Freimaurerei hat aber tatsächlich nichts dergleichen als Inhalt. Zweifellos weisen manche Symbole die Spuren der Alchemie, des Rosenkreuzertums, der Mystik auf. Der Erfolg der Freimaurerei beruht ja gerade darauf, dass sie nicht darin besteht, die Volkshochschule einer Philosophie der Aufklärung zu sein, sondern mit ihrer Symbolik und ihrem Ritual ihren geistigen Gehalt sinnlich nahezubringen. Sie versucht, die Vernunft und das Gefühl anzusprechen. Sie will den Handlungsauftrag ihrer Ideale – Menschenliebe, Toleranz, Brüderlichkeit – sinnfällig machen.
Zurück zum Ritual:
Wir benutzen im Ritual einige universelle Bezeichnungen und Symbole, aus dem Bauhandwerk – Winkelmaß, Lot, Schnur, rauer Stein, behauener Stein – und aus älteren Schichten der menschlichen Kulturgeschichte – Knoten, Sonne, Sterne -, aber auch einige aus abendländisch-jüdisch-christlicher Tradition, wie die Säulen, einige hebräische oder quasi-hebräische Losungswörter, vor allem aber die Bilder des Bauens, wie den Salomonischen Tempel als Sinnbild der Menschheit.
Ich erinnere an die Verhältnisse in den USA: Obwohl die USA eine strikte Trennung von Kirche und Staat beobachten, ist doch die Bezugnahme auf Gott allgegenwärtig, beginnend mit dem Auge im Dreieck auf den Dollarscheinen, der Devise „In God we trust“ und endend mit der unvermeidlichen Anwesenheit eines „chaplain“ bei fast allen geselligen Vereinigungen. Aber das ist keine Religionsausübung, auch kein Religionsersatz, sondern die ständige Anwesenheit eines religiösen Gefühls. Es ist, wie die Schriftstellerin Susan Sontag bei ihrer Paulskirchen-Ansprache 2003 sagte, nicht Religion, sondern Religiosität.
Im berühmten Artikel I der „Alten Pflichten“ von 1723, dem Grundgesetz der 1717 gegründeten Großloge, heißt es:
Der Maurer ist als Maurer verpflichtet, dem Sittengesetz zu gehorchen; und wenn er die Kunst recht versteht, wird er weder ein engstirniger Gottesleugner, noch ein bindungsloser Freigeist sein. In alten Zeiten waren die Maurer in jedem Lande zwar verpflichtet, der Religion anzugehören, die in ihrem Lande oder Volke galt, heute jedoch hält man es für ratsamer, sie nur zu der Religion zu verpflichten, in der alle Menschen übereinstimmen, und jedem seine besonderen Überzeugungen selbst zu belassen…. So wird die Freimaurerei zu einer Stätte der Einigung und zu einem Mittel, wahre Freundschaft unter Menschen zu stiften, die einander sonst ständig fremd geblieben wären.
Was genau Anderson, der presbyterianische Pfarrer aus Schottland, mit diesen Worten meinte, ist, wie vieles in der Freimaurerei, eine Auslegungsfrage. Es könnte gut sein, dass seine Worte weniger ein Freibrief, als vielmehr eine Begrenzung waren – es ist möglich, dass man befürchtete, die frühen Logen könnten unter den Einfluss radikaler Aufklärer wie Toland geraten, von Männern, die man „Pantheisten“ nannte, die aber tatsächlich eher Materialisten und Atheisten waren. Der „Spinozismus“ ging in Europa um, das pantheistische und individualistische Schreckgespenst.
Jedenfalls aber gehört dieses Stück freimaurerischer Ideologie in die Zeitströmung, die Rousseau in einem Brief an Voltaire später charakterisierte mit den Worten: „Das Dogma ist nichts, die Moral ist alles.“ Die Religion wird um das Jahr 1700 von der Grundlage der Pflichten des Menschen zum Objekt der Forschung. Bürgerliche Tugenden traten in den Vordergrund, die Religion wurde zur Frömmigkeit verinnerlicht. Der absolutistische Staat hält die äußerlichen Formen der Religion aufrecht, aber Religion wird Privatsache.
Das Stichwort für den historischen englischen Hintergrund ist übrigens „Latitudinarismus“, von lat. latitudo = Breite, auch als „Broad Church“ bezeichnet – englische Theologen des 17. Jh. blieben zwar bei der Praxis der Church of England, aber sie hielten Dogma, Liturgie und kirchliche Organisation für vergleichsweise unwichtig; Gott geht es um die Moral des einzelnen. Die menschliche Vernunft zusammen mit dem Heiligen Geist ist ausreichend, um die Wahrheit zu finden. Obwohl diese „latitudinarians“ offiziell bekämpft wurden, wurden ihre Gedanken im 18. Jahrhundert in England zur realen Einstellung der Kirche. Verzicht auf Dogma, Erkenntnis durch die Vernunft – das hört sich für den Freimaurer recht heimatlich an. Es ist übrigens noch ein Forschungsthema, wie stark die vielen protestantischen Sekten in England um die Jahrhundertwende 1700 herum die in der Entstehung begriffene Freimaurerei beeinflusst haben. So findet sich in dem aus dem Geist der Quäker stammenden Grundgesetz der Provinz Pennsylvania von 1682 den Grundsatz: Wer Gott als Schöpfer und Herrn der Welt anerkennt und bereit ist, in diesem Land friedlich zu leben, hat die Freiheit, seine Überzeugungen zu haben und nach ihnen zu leben.
In den 1780er Jahren sagte Thomas Jefferson – selbst kein Freimaurer, aber Freund vieler Freimaurer, ein Aufklärer par excellence und Geburtshelfer der ersten wirklichen Demokratie der Welt:
Wenn mein Nachbar meint, es gebe zwanzig Götter oder es gebe keinen Gott, tut er mir nicht weh.
Richard Rorty, ein atheistischer Philosoph, sagt dazu: Es ist nicht wesentlich für eine demokratische Gesellschaft, in religiösen Dingen einer Meinung zu sein. Es reicht aus, dass der Theist und der Atheist ein gemeinsames sittliches Vermögen haben. Die Religion ist irrelevant für die Gesellschaftsordnung, aber sie ist relevant für die Vervollkommnung des Individuums. Die Bürger dürfen religiös oder irreligiös sein, sie dürfen nur nicht fanatisch sein. Wenn ihre Meinungen über die letztlich wichtigen Dinge, Dinge, die ihrem Leben vielleicht bisher Sinn und Zweck verliehen, wenn diese Meinungen öffentliche Handlungen nach sich ziehen, die vor den meisten ihrer Mitbürger nicht zu rechtfertigen sind, so müssen sie diese Meinungen aufgeben.
Der Begriff „Toleranz“ taucht an keiner Stelle der „Alten Pflichten“ auf, obwohl er doch jedenfalls in Deutschland zur dreifachen Devise der Frm. gehört – Menschenliebe, Toleranz, Brüderlichkeit. Dennoch durchdringt er die Freimaurerei seit ihrer Entstehung zu Beginn des 18. Jh. Es sind „gewisse Gesellschaften…, in denen sich Menschen aller Religionen und Sekten, wenn sie sich nur einer natürlichen Rechtschaffenheit und Wohlanständigkeit befleißigen, untereinander… verbinden..“ – wie richtigerweise einer der beständigsten Feinde der Freimaurer, die katholische Kirche, 1738 feststellte.
Quelle: Wikipedia
Das moderne Stichwort dazu heißt: Relativismus, genauer: ontologischer Relativismus – es gibt keine objektive Wahrheit, besser: eine objektive Wahrheit ist für uns Menschen nicht erkennbar. Und der anständige Relativist muss, um sich nicht selbst zu widersprechen, sogar seine eigene Position als möglicherweise falsch ansehen. Ich schließe ein Zitat an, eine Diagnose des Relativismus:
(Der Relativismus) erscheint (nicht) nur als Resignation vor der Unermesslichkeit der Wahrheit, sondern definiert sich auch positiv von den Begriffen der Toleranz, der dialogischen Erkenntnis und der Freiheit her, die durch die Behauptung einer für alle gültigen Wahrheit eingeschränkt würde. Relativismus erscheint so zugleich als die philosophische Grundlage der Demokratie, die eben darauf beruhe, dass niemand in Anspruch nehmen dürfe, den richtigen Weg zu kennen; sie lebe davon, dass alle Wege einander als Bruchstücke des Versuchs zum Besseren hin anerkennen und im Dialog nach Gemeinsamkeit suchen… Ein System der Freiheit müsse seinem Wesen nach ein System sich verständigender relativer Positionen sein, die überdies von geschichtlichen Konstellationen abhängen und neuen Entwicklungen offenstehen müssen. Eine freiheitliche Gesellschaft sei eine relativistische Gesellschaft; nur unter dieser Voraussetzung könne sie frei und vorne hin offen bleiben.
Joseph Kardinal Ratzinger
Der Verfasser, der hier eine exzellente Diagnose des relativistischen – sprich: auch freimaurerischen – Meinens anbietet, fährt allerdings damit fort, dass diese Positionen ihre Berechtigung in der Politik haben, nicht aber im Gebiet der Ethik und der Religion. Geschrieben hat diese Zeilen Joseph Kardinal Ratzinger in „Die Wahrheitsfrage und die Religion“, ursprünglich 1996, noch einmal veröffentlicht 2003 unter dem Titel „Glaube, Wahrheit, Toleranz“ – der Papst, der den Relativismus zum Gegenstand seiner ersten Ansprache auf dem Petersplatz nach seiner Wahl machte.
Von Mark Bray – https://www.flickr.com/photos/braydawg/4715789222/, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48269505
Quelle: Wikipedia
Da sind wir zugleich an dem entscheidenden Punkt: Natürlich kämpft der Papst gegen den Relativismus im Glauben. Er setzt die für alle erkennbare Wahrheit der Offenbarung Gottes gegen die Meinung, es gebe nur Wahrheiten. Und wer wollte widersprechen, dass, wer die Wahrheit erkannt hat, nach der Wahrheit leben muss? Das ist immerhin eine Kirche nach dem II. Vatikanum – eine Kirche, die anerkennt, dass der Streit der Meinungen und die Suche nach dem Richtigen und Wahren mit Hilfe der Vernunft im Bereich der Politik durchaus eine Berechtigung hat, und in Grenzen auch im Bereich der Religion. In seiner ersten Enzyklika „Deus caritas est“ schrieb Papst Benedikt XVI.:
Der Glaube ist … eine reinigende Kraft für die Vernunft selbst. Er befreit sie von der Perspektive Gottes her von ihren Verblendungen und hilft ihr deshalb, besser sie selbst zu sein… Die kath. Soziallehre will nicht der Kirche Macht über den Staat verschaffen; sie will auch nicht Einsichten und Verhaltensweisen, die dem Glauben zugehören, denen aufdrängen, die diesen Glauben nicht teilen. Sie will schlicht zur Reinigung der Vernunft beitragen und dazu helfen, dass das, was recht ist, jetzt und hier erkannt und dann auch durchgeführt werden kann.
Die katholische Kirche hat schon andere Töne gekannt. Nur 21 Jahre nach der Gründung der Londoner Großloge, also der Freimaurerei als Institution, wie wir sie heute kennen, im Jahr 1738 also, erließ Clemens XI. die Bulle „In eminenti apostolatus specula“. Männer jeder Religions- oder Sektenzugehörigkeit, meinte der Papst, die sich mit dem „Anschein natürlicher Rechtschaffenheit begnügen“, lassen sich in Scharen in die Freimaurerlogen aufnehmen. Was sie tun, ist geheim, der Verrat mit schrecklichen Strafen bedroht; was aber das Licht scheut, kann nicht anders als verbrecherisch sein.
Weitere 19 Bullen, Enzykliken und Apostolische Schreiben später sind wir ein Stück weiter. Die expressis verbis erfolgte Verdammung der Freimaurer im Codex iuris canonici 1917 – Exkommunikation als automatische Kirchenstrafe, Verbot der kirchlichen Beisetzung, Heirat mit einer Katholikin nur mit bischöflicher Erlaubnis – ist in der Neufassung dieses Gesetzbuchs 1983 aufgehoben. Der neue can. 1374 aus dem Jahr 1983 erwähnt die Frm nicht mehr; er stellt die Mitgliedschaft in solchen Vereinigungen unter Strafe, „quae contra Ecclesiam machinatur“ – die gegen die Kirche wühlen. Es gibt keine eo-ipso-Exkommunikation mehr, sondern eine „gerechte Strafe“ und/oder die Sperre vom Gottesdienst.
Allerdings: der damalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Kardinal Ratzinger, sorgte dafür, dass einen Tag vor dem Inkrafttreten des neuen c.i.c. eine Klarstellung des Papstes erfolgte, wonach die fehlende Erwähnung der Freimaurer im neuen c.i.c. nichts am negativen Urteil der Kirche über die Freimaurer ändere. Das kam nach jahrelangen Gesprächen zwischen Vertretern der deutschen und österreichischen Freimaurer ebenso hart wie die Erklärung der deutschen Bischofskonferenz im Jahr 1980, die es für unvereinbar erklärt hatte, zugleich Katholik und Freimaurer zu sein. Mittlerweile bestätigte der Vorsitzende der Glaubenskongregation, heute „Dicasterium pro doctrina fidei“, in einem von Papst Franciscus gegengezeichneten Schreiben vom 13.11.2023 das negative Urteil.
Katholische Kirchenrechtler sagen in heutiger Interpretation zur Mitgliedschaft eines Katholiken in einer Freimaurerloge: Das ist keine strafbare Handlung nach dem Kirchenrecht. Es ist allerdings eine schwere Sünde. Jedoch: Kommt ein Katholik bei intensiver Erforschung seines Gewissens zur Auffassung, dass das kirchenamtliche Verbot der Mitgliedschaft (Unvereinbarkeit der gleichzeitigen Zugehörigkeit) falsch ist, wäre diese Gewissensentscheidung von der Kirche zu respektieren.
Die orthodoxen Kirchen stehen der Freimaurerei vom theologischen Ansatz her indifferent gegenüber, in Russland soll eine gewisse Feindseligkeit – wohl im Zusammenhang mit dem russischen Nationalismus – zu spüren sein.
Die meisten protestantischen Kirchen haben ein entspanntes Verhältnis zur Freimaurerei, mit gelegentlichen Verzerrungen, die oft wohl eher der persönlichen Einstellung eines Kirchenmanns entspringen, und mit Ausnahme der Southern Baptist Conference, die die Freimaurerei als Werkzeug des Teufels sieht. Nach einem Gespräch zwischen Vertretern der Freimaurer und der evg. Kirche stellten die Kirchenvertreter 1973 u.a. fest: „Ein genereller Einwand gegen eine Mitgliedschaft evg. Christen in der Freimaurerei kann nach Meinung der evg. Gesprächsteilnehmer nicht erhoben werden.“ Eines der besten Bücher über Freimaurerei ist das Buch aus der Zentralstelle für Weltanschauungsfragen der Evg. Kirche von Matthias Pöhlmann „Verschwiegene Männer“.
Und was glaubt der Freimaurer nun wirklich?!
Er glaubt das, was er persönlich, für seine Person, glaubt. Es gibt keine religiöse Überzeugung, die die Loge ihm vorschreibt oder auch nur empfiehlt. Er mag Christ oder Jude sein, Protestant oder Katholik, Muslim oder Hindu, Gläubiger oder Agnostiker – in der Loge kommen die Menschen zusammen, die sonst auf immer getrennt geblieben wären, aber sie geben ihre persönlichen Überzeugungen nicht an der Garderobe der Loge ab. Kein Meister vom Stuhl und kein Großmeister wird ihnen Vorschriften machen – eine einzige ausgenommen, die ich in dem Satz zusammenfassen will, den ich bei einem Vortrag vor katholischen Weltanschauungsbeauftragten sagte: Sie dürfen glauben, dass ich in der Hölle schmoren werde – aber bis es soweit ist, begegnen Sie mir mit Achtung.
Kann die Freimaurerei denn dann nicht eine Stätte der Einigung für Religionen sein?
Einerseits: In völligem Gegensatz zum Toleranzgedanken steht die Religion, an die wir vor allem denken, wenn wir nach Gemeinsamkeiten suchen: der Islam, der jede historische Interpretation des Koran, jede Relativierung göttlicher Gebote untersagt und sich nicht im Geringsten scheut, die Theokratie durchzusetzen. Der eben schon zitierte Richard Rorty sagt (in „Die Zukunft der Religion“): „Mir erscheint die Vorstellung eines Dialogs mit dem Islam als gegenstandslos. Es gab im 18. Jahrhundert keinen Dialog zwischen den philosophes und dem Vatikan, und es wird keinen zwischen den Mullahs der islamischen Welt und dem Westen geben…“
Was Hans Küng, Träger des Humanitären Preises unserer Großloge 2007, mit dem Parlament der Weltreligionen über 13 Jahre hinweg nicht gelungen ist, mit einer „Erklärung zum Weltethos“, die jeder von uns – und schon gar jeder Freimaurer – unterschreiben kann, das kann den stets verdächtigten Freimaurern erst recht nicht gelingen. Wir werden nicht die Vermittler zwischen den Religionen sein.
Andererseits: Wir können Vermittler zwischen den Menschen sein, die verschiedenen Religionen angehören, und haben das eigentlich mit gutem Erfolg seit mehr als 300 Jahren getan. Vielleicht wäre es aber noch wichtiger, zwischen gläubigen und ungläubigen Menschen zu vermitteln, denn die Angst vor dem Islamismus verbirgt das auf die Dauer gefährlichere Phänomen des gleichgültigen Unglaubens.
An dieser Stelle werden verschiedene Vorträge und Beiträge der Vergangenheit in loser Reihenfolge publiziert.